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Lehrlingsaustausch mit Frankreich - sinnvoll für Dachdeckerlehrlinge aus Westfalen?

Obwohl der überwiegende Teil der Dachdecker selten über französische Fremdsprachenkenntnisse verfügt, hat sich das Berufskolleg und Bildungszentrum des westf. Dachdeckerhandwerks in Eslohe geöffnet: Fast 3 Wochen waren französische Dachdeckerlehrlinge aus Tours an unserer Schule. Hier ein Interview mit Dr. Hans Dürr, dem Leiter dieses Austauschs.

Herr Dr. Dürr, Sie leiten den eigens gegründeten Lehrerarbeitskreis "Frankreich" am Esloher BBZ. Was versprechen Sie sich von einer Schulpartnerschaft?

Wir versprechen uns einen Motivationsschub, d.h., wir hoffen, dass einige unsere Schüler einen neuen Anreiz für ihren Ausbildungsberuf erhalten. "Reisen bildet", heißt ein altes Sprichwort. Weiterhin ist die Auseinandersetzung mit einer anderen Sprache und einer anderen Kultur eine Chance, unsere Schüler auf eine multikulturelle Arbeitswelt und Gesellschaft vorzubereiten. Ein weiteres wesentliches Ziel ist u.a. ein Vergleich der beruflichen Leistungsstandards und der Bildungsgänge in beiden Staaten. Interessant wird dies vor allem auch im Hinblick auf den Europäischen Qualifkationsrahmen (EQR) der Bildungsabschlüsse.

Und was ist, wenn Sie erkennen, dass die Leistungsstandards und/oder Bildungsgänge nur geringe Schnittmengen aufweisen?

Für uns, aber auch für Franzosen könnte es bedeuten, dass auch andere Staaten gute oder bessere Bildungsansätze kennen. Warum sollte man dann positive Erfahrungen im Nachbarland nicht auch bei uns umsetzen? Ziel des politisch angestrebten Europäischen Qualifikationsrahmens ist es, eine Vergleichbarkeit von Bildungsabschlüssen in der EU herbeizuführen. Stellen sich in diesem Prozess Differenzen heraus, dann wäre es Aufgabe der Politik und der Berufsverbände, Bildungsabschlüsse ggf. neu zu schneiden, d.h. inhaltlich so zu gestalten, dass nationale Berufsabschlüsse auch europaweite Akzeptanz finden.

Die französischen Dachdeckerlehrlinge arbeiten auch als Praktikanten in westfälischen Dachdeckerbetrieben. Gibt das keine Verständigungsschwierigkeiten?

Selbstverständlich waren vor allem am 1. Tag Verständigungsschwierigkeiten vorhanden, aber genau die galt es in der Vorbereitung zu lösen. Zur Überwindung dieser Sprachbarrieren hatten alle Teilnehmer in der ersten Schulwoche mit deutschen Berufsschülern einen speziellen zweisprachigen Tandemsprachkurs absolviert. Weiterhin wurden in der 1. Woche Projektarbeiten in gemischtsprachigen Arbeitsteams ausgeführt, vielleicht ein Schritt in die Richtung "learning by doing". Wir haben ein erstes berufsspezifisches Glossar mit Dachdeckerfachbegriffen erstellt, dass sicher noch weiter ausgebaut werden muss. Teilnehmer und Betriebe hatten eine erste Fassung davon erhalten. Die betreuenden Berufsschullehrer haben alle französische Grundkenntnisse. Ein Notanker war verbrieft: Telefonisch war ein Team aus Lehrer plus Dolmetscher ganztägig erreichbar - aber es kam kein Notruf!

Die französischen Gäste

Wie ist die Partnerschaft überhaupt zu Stande gekommen?

Ich hatte Kontakte zur Vertretung der französischen Compagnons du devoir in Berlin. Diese Vereinigung ist im weiteren Sinne ein französischer Handwerkerverband, der in Frankreich eigene Berufsbildungszentren unterhält und auch eine duale Berufsausbildung betreibt. Es gelang, das von den Ministerien beider Staaten getragene deutsch-französische Jugendwerk zur finanziellen Unterstützung zu gewinnen. Im November 2010 war ich als Lehrer mehrere Tage zum Erstkontakt in Tours, französische Lehrer besuchten unser BBZ in Eslohe im Juli 2011. Was bei uns Lehrern gelungen war, beschlossen wir damals in einen partnerschaftlichen Lehrlingsaustausch einmünden zu lassen.

Wie sahen Planung und Gestaltung für 3 Wochen mit Wochenenden und Feiertagen aus?

1. Aufenthaltswoche: Teambildungen aus Deutschen und Franzosen, die in einem Tandemkurs unter Anleitung einer speziellen Sprachenlehrerin Verständigung einübten. "Morgens Sprache, nachmittags Dachdeckungen" galt als Prinzip für die erst Woche. Natürlich begleiteten soziale Projekte diese Kennenlernphase.

In der 2. Aufenthaltswoche standen Praktika in westfälischen Dachdeckerbetrieben an. Beim gemeinsamen Abendessen wurden dann jeweils Erfahrungen aus den Arbeitswelten in Deutschland und in Frankreich ausgetauscht. "Gut zu händeln, sehr lernwillig" war die häufigste Resonanz der Betriebe – aber auf das ausdrückliche Angebot ganz in Deutschland zu leben und zu arbeiten, wollte sich (noch) keiner der französischen "couvreurs" festlegen.

Exkursionen standen in der dritten Woche an:

in der Esloher Werkhalle

Alle Unternehmen haben für den Austausch ein überaus starkes Engagement gezeigt, das zum Gelingen der Maßnahme sehr viel beigetragen hat. Begleitet wurden die 3 Wochen von vielfältigen betreuten Wochenend- und Freizeitangeboten:

  • Besuch im Freizeitpark Fort Fun
  • Fußball aktiv
  • Pokalspielbesuch im BVB-Stadion nach Dortmund
  • Esselbadbesuch
  • Radtouren mit dem schuleigenen Mountainbikes über den Sauerlandring
  • Sport & Picknick am Strand des Hennesees
  • Grillabende
  • Kirchgang mit französischer Gesangseinlage
  • Shoppingtour in Dortmund
Sauerlandring

Ermöglicht wurde das umfangreiche Programm durch Unterstützung der Schulleitung, aktives Mitwirken des Schulträgers, Sponsoring und last not least engagierte Lehrer, die selbst in der unterrichtsfreien Zeit (Herbstferien, Wochenenden, Feiertag) ihren pädagogischen Auftrag sehr ernst genommen haben.

Inzwischen sind die drei Wochen um, können Sie eine erste Bilanz ziehen?

Mich persönlich hat am meisten beeindruckt, wie schnell in gemischtsprachigen Lerngruppen junge Handwerker mittels geeigneter Trainingskonzepte zu akzeptablen gemeinsamen Leistungen befähigt werden können. Die Franzosen sind stark beeindruckt von unserer westfälischen Wohn- und Baukultur. In den Techniken des Schieferdeckens sind sie geübt - auch wenn unsere deutschen Deckarten mit geschwungenen Formen ihnen nicht bekannt sind. Unsere deutschen Lehrlinge sind beeindruckt vom Lerneifer dieser Franzosen und deren Disziplin. Sehr positiv war das Engagement des Schulträgers, der sich außerordentlich stark gemacht hat für die Umsetzung des Projektes. In einer geplanten Evaluation wird weiter Bilanz gezogen werden.

Wer trägt die Kosten des Austauschs?

Vorab: Die französischen Dachdecker werden ebenso wie die westfälischen während des Blockunterrichts in einem dem BBZ angegliederten Internat untergebracht und verpflegt. Die Kosten für die Anreise, Unterbringung, Verpflegung, Tandemsprachkurs und Dolmetscher werden auf Antrag vom deutsch-französischen Jugendwerk nach Pauschalsätzen kostendeckend erstattet. Nicht ausreichend scheint uns der Ansatz für das Freizeit und Kulturprogramm, wenn man wie wir im ländlichen Bereich wohnt und 5 Tagesbusreisen zusätzlich zum eigentlichen Kulturprogramm zu finanzieren hat. In diesem Etatbereich waren wir auf Sponsoring angewiesen, ein großes Dankeschön an dieser Stelle dem Schulträger, der Finanzierungslücken übernahm und auch die Beförderung zu den Praktikumsstellen in Dortmund (bis zu 85 km). Offene Türen zeigten auch Zulieferbetriebe des Dachdeckerhandwerks, Bürgermeister und Sparkasse der Gemeinde Eslohe. Unterm Strich blieb bei diesem ersten Austausch eine rote Null stehen, nicht zuletzt dank der unbezahlten Mehrarbeit engagierter Lehrkräfte in deren Freizeit und Ferien.

Ist ein Gegenbesuch geplant?

Selbstverständlich! Wir planen, ebenfalls mit ca. 14-17 Schüler unserer Schule, idealerweise aus dem 2. Unterrichtsblock U/A, Ende April 2012 mit 2 Lehrkräften 18 Tage nach Tours zu fahren. Die Dachdeckerabteilung in Tours verfügt wie das Esloher BBZ über ein Wohnheim, Berufsschulräume und Lehrwerkstätten. Erste Anmeldungen deutscher Schüler liegen bereits vor; wir freuen uns schon auf diesen Gegenbesuch. Weitere Interessenten können sich, wenn der Ausbildungsbetrieb zustimmt, bei Dr. Hans Dürr melden.

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